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Expertenrat zur Behandlung von Besenreisern, Krampfadern und offenen Beinen

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Thema: Kompressionstherapie auf der Intensivstation!?
2010-09-21
Autor:
Intensivstation
Hallihallo Expertenrat,

ich hoffe ich störe nicht! Auf meiner Intensivstation ist folgende Frage aufgetaucht: Welche Art von Kompressionsbinden sind für Intensivpatienten, die im Bett liegen und keine bis geringste Muskelaktivitäten in den Beinen aufweisen, die Richtigen?

Eigentlich haben wir die allseits verpönten einfachen AT-Strümpfe (gelten in manchen Krankenhäusern als Kontraindikation und werden dort gar nicht mehr verwandt), kommen jedoch Varizen und andere Problematiken, wie z.B. Wunde etc. hinzu stehen wir jedes mal wieder vor dem Problem, was nun? In den letzten Jahren mussten wir dann immer auf Lenkelast (folglich Langzugbinden) zurückgreifen (laut Experten müßten diese Langzugbinden im Liegen aber abgewickelt werden, wegen einem zu hohen Ruhedruck!), seit kurzem sollen wir deshalb Kurzzugbinden nehmen. Mein Problem hierbei ist, das diese Binden ohne Muskelaktivität (Bettlägrige teils tief sedierte Intensivpatienten) zwar keinen hohen Ruhedruck haben, also nichts einengen, ich mir die Mühe dann vielleicht aber auch sparen kann, da sie dann auch nicht den gewünschten Effekt haben, oder? Ich stehe also im Moment etwas Ratlos da und hoffe mir Klärung durch ihre Expertenerfahrung!

Vielen Dank schon im Voraus für Ihre Zeit, mit freundlichen Grüßen

Dr. Uwe Schwichtenberg

Experte
Beiträge:264
2010-09-22
Sehr geehrte Fragestellerin
Zunächst ein paar Worte zu den Strümpfen.
In der S3-Leitlinie zur Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE) in der Version vom 18. März 2009 sind die AT-Strümpfe also die medizinischen Thrombose-Prophylaxestrümpfe enthalten.
Dort werden zur Thromboseprophylaxe
• Basismaßnahmen (Frühmobilisation, Bewegungsübungen, Anleitung zu
Eigenübungen) und
• Physikalische Maßnahmen (z.B. Medizinische Thrombose-Prophylaxe-Strümpfe, intermittierende pneumatische Kompression) empfohlen.
Physikalische Maßnahmen haben zum Ziel, die Blutströmungsgeschwindigkeit in den Venen zu erhöhen und damit der Thromboseentstehung vorzubeugen. Sie werden lokal an den unteren Extremitäten angewandt.
Die Empfehlungen der S3-Leitlinie lauten:
Für Patienten mit niedrigem VTE-Risiko sollten Basismaßnahmen regelmäßig
angewendet werden. ⇑
Sie können durch medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe (MTPS) ergänzt werden. ⇔
Bei Patienten mit mittlerem und hohem Thromboserisiko soll eine medikamentöse VTE-Prophylaxe durchgeführt werden. ⇑⇑
Bei Patienten mit mittlerem und hohem Thromboserisiko sind neben einer
medikamentösen Prophylaxe Basismaßnahmen indiziert.
Zusätzlich können physikalische Maßnahmen (MTPS) angewendet werden. ⇔
Von allen genannten Maßnahmen werden in Deutschland vorzugsweise medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe (MTPS) eingesetzt. Der lokale Anpressdruck in der Fesselregion liegt bei ca. 18 mmHg und nimmt kontinuierlich von distal nach proximal ab. Bei der Anwendung von MTPS ist auf eine einwandfreie Passform und einen dauerhaft korrekten Sitz zu achten. Insbesondere sind Einschnürungen zu vermeiden. Trotz der Verfügbarkeit von unterschiedlichen Passgrößen ist die Bestrumpfung mitunter problematisch, z. B. bei dicken Beinen. Wadenstrümpfe können hierbei gegenüber schenkellangen Strümpfen von Vorteil sein.
Besonderer Beachtung bedürfen spezielle Kontraindikationen wie kritische periphere arterielle Durchblutungsstörungen, schwere Neuropathien, ausgeprägte periphere Ödeme und lokale Infekte, Nekrosen bzw. Verletzungen.
Die intermittierende pneumatische Kompression (IPK) ersetzt die Arbeit der
Wadenmuskelpumpe beim immobilen Patienten. Zur VTE-Prophylaxe werden 1- bis 3 kammerige Geräte verwandt. Nach Anlegen der Fuß- oder Beinmanschetten lassen sich die Luftkammern mit einem Druck um 45 mmHg in definierten Zeitabständen automatisch aufblasen und wieder entleeren. Als Kontraindikationen gelten die dekompensierte Herzinsuffizienz, ausgedehnte Entzündungsreaktionen (Phlebitis, Erysipel), Traumen, Neuropathien und der schwere nicht einstellbare Hypertonus.
Für die Intensivmedizin gilt zusätzlich: Patienten mit intensivmedizinischer Behandlung sollen eine medikamentöse VTEProphylaxe erhalten. Bei Kontraindikationen gegen eine medikamentöse VTE-Prophylaxe sollten medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe eingesetzt werden.
Wenn Sie statt der Thromboseprophylaxestrümpfe Binden einsetzen wollen. stellt sich die Frage, welches Ziel sie verfolgen wollen. Normalerweise werden Binden in der Akuttherapie/Entstauungstherapie eingesetzt. Diesen Zweck können Sie, da haben Sie völlig recht, ohne Betätigung der Muskelpumpe mit Kurzzugbinden kaum erreichen. Bei chronisch venöser Insuffizienz mit venösem und/oder bei Lymphödem erscheinen aktive entstauende Maßnahmen wie die oben erwähnte intermittierende pneumatische Kompression oder die manuelle Lymphdrainage sinnvoller. Fall Sie mit den Binden nur den MTPS imitieren wollen, um einen Thromboseprophylaxeeffekt zu erreichen, müßten Sie Langzugbinden wählen. Der Thromboseprophylaxestrumpf entspricht hinsichtlich seiner Dehnbarkeit, die über 120% liegen muß, einer Langzugbinde. Wichtig ist, dass ein Anpreßdruck von 21 mm Hg an keiner Stelle überschritten wird.


Ihr Dr. Uwe Schwichtenberg

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